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mik, 4. März 2002 um 13:51:35 MEZ Creationism Schade, dass die simple Freude über die Schönheit des Lebens uns Menschen nicht genügt. Nein, Erklärungsmodelle müssen her - es genügt nicht, sich an den Fluss zu setzen und dem Wasser zuzuschauen. Modelle sind ja so nett, sie helfen, die Realität etwas einfacher zu gestalten. Und schon Espinoza hatte die Idee, dass Erklärungsmodelle, vor allem dogmatische, mit Macht zu tun haben. Wenn nun ein alter (sehr alter) Spinner wie William Paley (1743-1805) seiner Begeisterung über das feine Zusammenspiel aller Elemente im Kosmos Ausdruck verleihen möchte, bewegt er sich schnell im argumentativen Fahrwasser der damaligen Machtverhältnisse: Ein Gott muss es sein, der da dahintersteckt und mit Wohlwollen auf die Welt herabblickt. Ein Guter noch dazu. Und dass dieser Gott Leid, Krankheit und Verderben mit dazuerschaffen hat, das ist ja alles nicht so schlimm. Ach, wie sind wir doch aufgeklärt, dass wir den armen Tölpel sofort durchschauen. Und dann die Amerikaner. Laut dem Artikel im Guardian, und wir haben es ja schon oft genug gehört/gelesen, glauben immer mehr von ihnen an einen (wahrscheinlich weissbärtigen (Anm.))) Schöpfergott, der vor einigen tausend Jahren die Welt erschaffen hätte. Ha, da blinzelt doch ein hübscher Machtanspruch durchs Argument, noch dazu, wenn dieser Gott dann gleich als Rechtsanspruch für ein paar Kriege verwendet werden kann. Ach, wie sind wir doch aufgeklärt, dass wir die armen Trottel sofort durchschauen. Und dann das MIT. Affective Computing habe ich gerade entdeckt: Rosalind W. Picard und ihr Team versuchen, emotionales Verhalten in synthetisierbaren Modellen abzubilden. Weil sie feststellen, dass die derzeitigen Mensch-Maschine-Interfaces auf die emotionalen Äusserungen eines Menschen (in Form von non-verbalen Signalen (Körpersprache, Haupttemperatur, Blutdruck...)) nicht reagieren und daher das Wohlbefinden der User beeinträchtigt ist. Was? Wie passt denn das hierher? Emotionale Usermodelle zu konstruieren hat doch durchaus Sinn - zumindest die scientific community wird sich der komplexen Abläufe hinter quasi-alltäglicher Vorgänge (z. B. Wutausbrüchen) bewusst! Ausserdem werden doch nur Systeme gebaut, welche die aktuellen wissenschaftlichen Vorstellungen über dieser Abläufe widerspiegeln! Und wenn die Wissenschaft feststellt, dass die Modelle der Abläufe noch nicht ideal sind, verfeinert sie diese Modelle. Oder? Ja. Und landet - zumindest scheint es mir so zu sein - genau dort, wo sie angefangen hat. Bei der Natur, dem Leben. Chaos. Evolution. Selbststeuernden Systemen. Landet dabei, dass jedes Modell, jede Erklärung wieder nur Teil des Problems ist. Ich möchte meine rationale Gehirnhälfte nicht abschalten (müssen), aber auch die rechte meldet sich zu Wort, ganz zu schweigen von der Verbindung zum Limbalstamm. Ist alles modellhaft erklärbar? Die Erkenntnisse von heute sind die Fehler von morgen. Jedes Modell hat ein großes Problem: Seine Modellhaftigkeit. Um die Welt als ganze zu erfassen und zu modellieren, müsste ich sie komplett nachbauen - und zwar am selben Ort und zur selben Zeit wie die eine Version, die wir zu kennen glauben. Ich habe den Eindruck, dass Erklärungen und Modelle oft mit der dahinterliegenden Empfindung von Realität verwechselt werden. Und dass, weil mir das Modell nicht gefällt, gleich auch die dahinter liegende Empfindung verurteilt wird. Nun erachten wir doch die Freiheit eines Individuums als schätzenswertes Gut. Diese Freiheit äussert sich z. b. darin, dass dieses Individuum denken kann, was es will. Etwas zu wollen ist imho im Idealfall ein Gesamterlebenis: Meine Gefühle, meine Intuition, mein Verstand, mein Körper: alle sagen sie: "Ja, das will ich". Ich finde, dass dieses Gesamtwesen, das da etwas will, mit keinem bisher mir bekannten Modell beschrieben werden kann. Es gibt meines Wissens kein Buch, kein Gemälde, keinen Computer samt Programm, der mich umfassend beschreibt, also modelliert. Meine so schätzenswerte Freiheit wird tragend, sobald ich etwas äussere (z. b. diesen Eintrag ins Log). Jetzt entsteht in Dir, dem/r Leserin, ein Modell von mir - du kannst es mögen oder nicht. Aber bitte schliess davon nicht 1:1 auf mich! Dieser Text wird mir nie voll und ganz gerecht werden, und verfasste ich ein 250.000 Seiten Werk, es würde wahrscheinlich immer noch nicht reichen, um ein umfassendes Bild von mir zu entwerfen. Welche Sprache sollte ich z. B. wählen, bei der klar ist, dass unter jedem Begriff, den ich verwende, ich und alle meine LeserInnen das gleiche verstehen? Du siehst, es wäre unmöglich. Was bleibt, ist das, was ist. Das bisschen gemeinsame Realität. Die Energie, die das Spektroskop misst, die meine Augen wahrnehmen und die Deine Haut als Wärme empfindet. Die sich vielleich in einer Pflanze materialisiert, von jemandem gegessen wird und irgendwann wieder Energie wird, weil seine Verdauung sie verbrennt. Von dem reden wir doch alle. Paley, Du und ich. Und das, Leute, das..... hach. Jenseits aller Worte. PS: Leiden ist imho der Zustand, der mich darauf aufmerksam macht, dass ich die Realität (noch) nicht so wahrnehme, wie sie ist. Lest Lao-Tse. |
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